Non vitae - sed scholae

#1 von Nauplios , 27.05.2022 16:43

Aus der Zeit gefallen - es ist die meist liebevolle, manchmal kritische Formel für das, was nicht mehr up to date ist. Ein geglücktes Beispiel dafür ist das "Merkblatt über das Studium der Romanischen Philologie an der Universität Münster", das Hans Robert Jauß während seiner ersten Professur in Münster 1957 für die Studienanfänger im Fach Romanistik verfaßte:

"Das Studium der Romanischen Philologie wird Ihnen - wie alle Wissenschaften - gerade durch die Freiheit, sich mit Dingen zu befassen, die für das Leben nicht unmittelbar nützlich sind, in echtem Sinne humanistischer Tradition zur 'Bildung' gereichen. Darum wünschen wir Ihnen für Ihren Weg alle Freuden, die Ihnen aus der Begegnung mit dem Geiste der Romania erwachsen können und begrüßen Sie mit einer alten Devise, die heute in der Umkehrung erst ihren vollen Sinn gewinnt: Non vitae - sed scholae." (Jauß; Wissenschaftsgeschichtliche Memorabilien)

Memorabel ist ein Gespräch im Verwandtenkreis, dessen Zeuge ich als Sextaner wurde. Es hat sich Anfang der 60er Jahre zugetragen, ebenfalls in Münster, und betraf die Studienambitionen einer Cousine: sie möge sich doch vor der Heirat noch ein paar schöne Jahre machen und studieren - vorzugsweise "etwas mit Sprachen", beispielsweise Romanistik. Die Aussicht auf schöne Jahre nach der Heirat war infolge eigener Erfahrungen verdunkelt und das Studium der Romanistik dafür "nicht unmittelbar nützlich".


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zuletzt bearbeitet 27.05.2022 | Top

   

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