Die Klugheit der Metapher

#1 von Nauplios , 20.05.2022 17:51

"Die Metapher ist weit klüger als ihr Verfasser."
(Georg Christoph Lichtenberg; Aphorismen; S. 263)

Es ist der Bedeutungshorizont, den Lichtenberg hier meint, nicht die mögliche Beschränktheit möglicher Verfasser. Auch der Bedeutungshorizont weicht zurück, wenn man versucht, ihn abzuschreiten. Deshalb bleiben Metaphern notwendig unpräzise; eben darin liegt ihre Klugheit.


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RE: Die Klugheit der Metapher

#2 von Nauplios , 21.05.2022 16:09

Von einer Kontextwanderung könnte man sprechen, zu der die Metapher ermuntert. Wanderungen verstehen sich darauf, gesetzten Zielen und festen Strecken mit einem Minimum an Freizügigkeit zu begegnen. Man wandert nicht, um von A nach B zu kommen, sondern um das Dazwischen als ästhetischen Gegenstand zu erfahren. In einer Metapher bewandert sein heißt, das con ihres contextum als Horizont ihrer Bedeutungserschließung zu verstehen.


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RE: Die Klugheit der Metapher

#3 von Andrea , 31.05.2022 20:45

:-) ein wunderschöner Gedankenzug, die Metapher selbst in eine Metapher einzuhüllen, um den Kern von ihr zu belichten.
Heute Nachmittag, hatte ich bei einer kleinen Wanderung ein schönes Erlebnis. Ich setzte mich zum Rasten auf eine Wiese. Nach kurzer Zeit ließ ich mich treiben und legte mich, wie man es aus Kindertagen kennt, ganz ins Gras fallen. Mein Blick fiel in das Wolkenmeer und in den freien unendlichen Himmel. In dieser Position verändert sich der Blickwinkel völlig. Sucht man dann den Horizont in dieser liegenden Position hinter sich, hat man eine neue, ungewöhnliche Perspektive. Der Horizont war für mich begreifbar in seiner Festigkeit und der Grund auf dem ich mich befand, war verbunden mit diesem Horizont. Während sich das Wolkenmeer mit seinen schnellveränderlichen Formen und dieser unendliche Blick in den Himmel nicht diesen Halt und diese Festigkeit bieten kann.
Überträgt man dieses Bild auf die Metapher und den Horizont, gibt die Metapher in Ihrer Tiefe eine Festigkeit von Begreifbarkeit. Eine Klarheit von Gewissheit die man schon gleichermaßen kennt.

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RE: Die Klugheit der Metapher

#4 von Andrea , 31.05.2022 20:47

[[File:20220531_151020_2.jpg|none|auto]]

Angefügte Bilder:
20220531_151020.jpg  
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zuletzt bearbeitet 31.05.2022 | Top

RE: Die Klugheit der Metapher

#5 von Andrea , 31.05.2022 20:50

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RE: Die Klugheit der Metapher

#6 von Nauplios , 05.06.2022 19:14

Zitat von Andrea im Beitrag #3
Mein Blick fiel in das Wolkenmeer und in den freien unendlichen Himmel.


Dem Wolkenmeer zur Seite möchte ich das Nebelmeer stellen. Das Nebelmeer - vertikal als Nebelwand - versperrt ja den Blick eigentlich, es sei denn, der Blick geschieht von höherer Position auf das Nebelmeer herab wie etwa beim berühmten Wanderer über dem Nebelmeer:


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Angefügte Bilder:
Ueber-die-sammlung-19-jahrhundert-caspar-david-friedrich-wanderer-ueber-dem-nebelmeer.jpg  
 
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RE: Die Klugheit der Metapher

#7 von Andrea ( Gast ) , 05.06.2022 23:34

Ein überwältigendes Gemälde von Caspar David Friedrich.
Ja, der Nebel ist etwas sehr besonderes. Man fällt nicht selten mit ihm in einen außergewöhnlichen Gemütszustand. Dieser diffuse Blick, alles wird zu einem "Suchen".
Nur noch das Unmittelbare vor einem ist greifbar und gerät damit in den "Vordergrund". Alles andere löst sich subjektiv in den Nebelschwaden auf. Bei der Position des Wanderers auf dem Gemälde, rückt der Nebel selbst in den Vordergrund. Es wird somit zum Blick in das "Nichts" .

Andrea

   

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